Physiologische Auswirkungen von Stress
Stress hat tiefgreifende physiologische Auswirkungen auf den Körper. In diesem Absatz beschäftigen wir uns insbesondere mit dem sogenannten Kampf-oder-Flucht-Modus, dem vegetativen Nervensystem und der durch Stress verursachten Schwächung des Immunsystems.
Der Körper reagiert ganz allgemein gesprochen auf Stress, indem er Energie und Ressourcen dorthin verlagert, wo sie in Gefahrensituationen unmittelbar benötigt werden. Bei andauerndem Stress können diese Mechanismen gesundheitliche Probleme verursachen und das Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen.
Die Rolle des vegetativen Nervensystems
Das vegetative Nervensystem, das aus dem sympathischen und parasympathischen Nervensystem besteht, spielt eine zentrale Rolle für das Überleben: Während der Sympathikus in Stresssituationen aktiviert wird, ist der Parasympathikus für Beruhigung und Erholung zuständig.
Auf akute Stressoren reagiert das menschliche System mit dem sogenannten „Kampf-oder-Flucht“-System. Dabei wird das sympathische Nervensystem aktiviert, welches den Körper auf eine rasche Reaktion vorbereitet. Diese „Notfallbereitschaft“ zeigt sich durch eine erhöhte Herzfrequenz, eine beschleunigte Atmung und die Freisetzung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol. Diese Hormone versetzen den Körper in einen Zustand erhöhter Wachsamkeit (Jayasankara & Reddy, 2019).
Die Stressreaktion ist kurzfristig gesehen in Gefahrensituationen hilfreich. Doch wenn sie langfristig bestehen bleibt, verliert der Körper seine Fähigkeit, in seinen Ruhezustand zurückzukehren, was auf Dauer zu körperlicher und geistiger Erschöpfung führen kann (Jayasankara & Reddy, 2019).
Sympathisches System im Dauereinsatz
Wenn das sympathische System dauerhaft aktiv bleibt, wird der beruhigende Einfluss des parasympathischen Systems blockiert. Auf lange Sicht führt dies zu ständiger Anspannung. Der Körper wird dadurch anfällig für eine Vielzahl von Gesundheitsproblemen: das Herz-Kreislauf-System wird belastet, das Immunsystem unterdrückt, die Anfälligkeit für Infektionen und Entzündungen steigt, Muskelverspannungen, Kopfschmerzen und Verdauungsprobleme können auftreten.
Muskelverspannungen entstehen in diesem Prozess häufig, weil die Aktivierung des sympathischen Nervensystems die Muskelspannung erhöht, um den Körper auf eine mögliche Flucht oder Kampfhandlung vorzubereiten. Dies ist der Grund dafür, dass es bei chronischem Stress insbesondere im Nacken- und Schulterbereich zu Verspannungen und Schmerzen kommt.
Diese anhaltende Muskelanspannung kann wiederum zu Spannungskopfschmerzen und zu erhöhtem Blutdruck führen.
Verdauungsprobleme können durch die Stressreaktion ebenfalls verstärkt werden, da das sympathische Nervensystem die Durchblutung des Verdauungstraktes reduziert und die Verdauung verlangsamt. Diese Reaktion dient dazu, die Energie in die Muskeln zu lenken und den Körper bereit für eine schnelle Reaktion zu halten. Daher kann langanhaltender Stress die Verdauungsorgane belasten und Symptome wie Magenschmerzen, Blähungen oder Durchfall hervorrufen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit anhaltendem Stress das Risiko für Muskelanspannungen, Kopfschmerzen, Entzündungen, chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Verdauungsprobleme sowie Erschöpfung steigt (Tetiana & Nazarovets, 2024).
So wirkt sich Stress auf das Gehirn aus
Langfristiger Stress hat ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf das Gehirn. Er wirkt sich auf die Struktur des Gehirn als auch auf Neurotransmitter-Levels aus und beeinflusst dadurch Gedächtnis und Stimmung. Besonders betroffen davon ist der Hippocampus, eine zentrale Gehirnregion für Gedächtnis und Lernprozesse. Der Hippocampus gehört zum limbischen System und ist zentral daran beteiligt, neue Informationen zu speichern und Erinnerungen langfristig zu verarbeiten. Insbesondere das räumliche Gedächtnis und das episodische Gedächtnis – das Speichern persönlicher Erfahrungen und das Erinnern an Orte und Wege – werden hier gesteuert. Der Hippocampus ist also eine Art Speicherzentrale für das Gedächtnis und beeinflusst maßgeblich unsere Fähigkeit, Informationen gezielt abzurufen und zu lernen (Д.І. Маракушин et al., 2024).
Bei langanhaltendem Stress wird Cortisol produziert, welches den Hippocampus stark beeinträchtigen kann. Cortisol verhindert die Neubildung von Nervenzellen, was zu einer Schrumpfung des Hippocampus führt. Diese Schrumpfung reduziert Gedächtnis und Lernfähigkeit und erhöht die Anfälligkeit für kognitive Beeinträchtigungen (Jayasankara & Reddy, 2019). Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit chronischem Stress oft Schwierigkeiten haben, sich an Details zu erinnern oder neue Informationen zu verarbeiten, was auf diese strukturellen Veränderungen im Hippocampus zurückgeführt werden kann.
Darüber hinaus wirkt sich Stress auf die chemische Balance der Neurotransmitter Serotonin und Dopamin aus. Diese sind für die Regulierung von Stimmung und Motivation entscheidend.
Stress senkt den Serotonin- und Dopamin-Spiegel
Serotonin wird oft als „Glückshormon“ bezeichnet, da es maßgeblich zur Stabilisierung der Stimmung und zur Verringerung von Angstgefühlen beiträgt. Es wirkt im Gehirn wie eine Art Stimmungspuffer, indem es die emotionale Balance unterstützt und ein Gefühl des Wohlbefindens fördert. Ein niedriger Serotoninspiegel wird häufig mit depressiven Zuständen in Verbindung gebracht, da der Körper dann weniger gut auf stressbedingte Schwankungen reagieren kann (Д.І. Маракушин et al., 2024).
Dopamin hingegen ist ein „Belohnungshormon“ und spielt eine zentrale Rolle bei der Motivation und der Freude an Aktivitäten. Es sorgt dafür, dass wir bei positiven Erlebnissen ein Gefühl der Belohnung empfinden und steigert dadurch unsere Bereitschaft, Aktivitäten nachzugehen, die uns Zufriedenheit bringen. Dopamin ist also essenziell für die Zielsetzung und das Verfolgen von Aktivitäten, die Freude und Erfüllung bringen. Unter chronischem Stress sinkt der Dopaminspiegel, was die Anfälligkeit für Motivationsverlust und depressive Verstimmungen erhöht. (Jayasankara & Reddy, 2019).
Langfristig kann Stress zu einem Ungleichgewicht führen, das häufig mit Stimmungsstörungen, wie Angst oder Depressionen, in Verbindung gebracht wird. Die Neurobiologie zeigt, dass Stress-induzierte Veränderungen der Neurotransmitter-Systeme auch die kognitiven Funktionen beeinflussen und sich negativ auf Entscheidungsfindung und Aufmerksamkeit auswirken können (Jayasankara & Reddy, 2019).