Hätte mich damals jemand gefragt, ob ich irgendetwas ändern möchte, hätte ich ihn eher für verrückt erklärt, als irgendetwas zu ändern. Wer macht das schon mit Anfang 30. Jetzt im Nachhinein weiß ich, wie sehr ich belastet war und wie wertvoll es gewesen wäre, die Zeichen zu erkennen und zu reagieren. Und mit Zeichen meine ich nicht die großen Dinge, wie Jobwechsel oder eine gesündere Ernährung. Nein, es sind die kleinen Zeichen, die wichtig gewesen wären.
Und damit ist jeder Moment gemeint, in dem ich
- unsicher
- gestresst
- nervös
- unter innerem Druck
- …
war.
Also all die Signale, die deutlich wahrnehmbar waren, mit denen ich aber auch nicht gewusst habe, was ich damit anfangen soll.
Also trotz der vielen emotional belastenden Momente, die ich ignoriert habe, habe ich mir mein Leben erträglich gemacht und in dem Schein gelebt, dass alles in Ordnung ist, so wie es ist. Ich betone hier noch einmal: Ich habe weder die Notwendigkeit einer Veränderung gesehen noch hätte ich gewusst wie – ich habe mich diesbezüglich erst gar nicht informiert. Heute wäre es vielleicht anders, da Stress und Burnout deutlich salonfähiger geworden ist.
Das Leben spielt oft sehr interessante Stücke und so war ich Hauptdarsteller in einem Stück, das ich unbewusst selbst geschrieben habe. Fünf Jahre dauerte der oben beschriebene Zustand an. Und plötzlich: Ich habe es nicht mehr geschafft und schmiss meinen Job als Führungskraft hin – kurz vor dem Burnout. Mein ultimatives Zeichen war, dass ich an einem Sonntag lieber arbeiten wollte, als irgendetwas anderes zu tun.
Gesundheitlich war zum Glück noch alles ok, außer der emotionalen und mentalen Überlastung. Den Herzinfarkt als Folge des damaligen Stresses habe ich erst 15 Jahre danach bekommen.
Durch die Entscheidung nicht mehr Führungskraft zu sein, hat das Theaterstück meines Lebens einen neuen Autor gefunden. Der Parameter – ignoriere die Signale deines Körpers – blieb gleich. Ich habe auch weiterhin nichts unternommen, um mit negativen Emotionen oder unangenehmen Gefühlszuständen lösungsorientiert umzugehen. Ich war weiterhin unachtsam.
Ich habe etliche Sachen im Außen geändert – habe meinen Job umstrukturiert, Weiterbildungen gemacht, bin umgezogen usw. In meinem Inneren habe ich versucht, das Vergangene zu verarbeiten und habe unter anderem die Coachingausbildung absolviert. Bei dieser Ausbildung wurde mir klar, welche emotionalen Belastungen ich mir aufgeladen hatte und wie sehr ich eigentlich „am Zahnfleisch“ war.